Kalli Nottrodt, Jahrgang 52, Triathlet der ersten Stunden ist in der Szene bekannt wie ein bunter Hund. Wir besuchten den dreifachen Ironman-Altersklassenweltmeister in seiner Heimat am Niederrhein.
Ganz im Gegensatz zum hektischen Treiben einer Großstadt herrscht in dem Viersener Stadtteil Dülken Dorfidylle pur. Es riecht nach Bauernhof, auf den Wiesen weiden Kühe, Pferde und Schafe, an fast jeder Ecke gackern Hühner und Gänse. Und mittendrin steht ein mit viel Liebe renoviertes und unter Denkmalschutz stehendes altes Fachwerkhaus, in dem mich der pensionierte Meteorologe und gebürtige Frankfurter begrüßte.
Kalli, ältere Triathleten geraten immer wieder ins Schwärmen, wenn Dein Name ins Spiel kommt …
(unterbricht lachend) Komisch!
… aber Hand aufs Herz, macht Dich so etwas nicht stolz?
Das gefällt mir schon, keine Frage, denn Anerkennung ist für jeden Menschen wichtig! Besonders spüre ich das bei den vielen Camps, bei denen ich als Trainer mitwirke, wenn die Jüngeren erst im Laufe der Zeit mitbekommen, was wir früher schon so alles geleistet haben. Interessant wird es dann, wenn manch Heißsporn, der sich beweisen möchte, letztendlich doch eingestehen muss, dass wir Alten es immer noch draufhaben!
Trotzdem können viele Jüngere beziehungsweise Neueinsteiger mit Deinem Namen nichts anfangen. Was erzählst Du denen über Dich in den Vorstellungsrunden?
Kurz und bündig: Ich bin Kalli Nottrodt, 64 Jahre alt, komme vom Schwimmsport, betreibe Triathlon seit über 30 Jahren, war fünfzehn Mal auf Hawaii und habe jede Menge Erfahrung im Ausdauersport! (schmunzelt) Danach fallen zwar einigen Zuhörern die Kinnladen herunter, aber das Gute daran ist, dass spätestens von da an meine Ratschläge auch ernst genommen werden.
Wie bist Du zum Triathleten geworden?
In meiner Heimatstadt Frankfurt musste ich in den Sechzigern alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen. Schule, Studium, Training, einfach alles. Im Gegensatz zu heute haben mich meine Eltern nicht überall hingefahren und abgeholt. Damals hatte ich mich dem Schwimmsport verschrieben, und mit meinem Verein, dem 1. Frankfurter Schwimmclub, startete ich als Brustschwimmer in der 2. Bundesliga. Saisonhöhepunkt waren immer die Deutschen Mannschaftsmeisterschaften, darauf haben wir uns akribisch vorbereitet. Später zog ich aus der Stadt nach Oberursel in den Taunus, dort lagen herrlich abwechslungsreiche Trainingsstrecken direkt vor meiner Haustür. Und als dann Anfang der Achtziger aus Amerika die Kunde kam, dass da so ein paar Verrückte über irrsinnig lange Strecken hintereinander schwimmen, Rad fahren und laufen, da habe ich mir gedacht, o. k., das versuche doch einfach mal! Lediglich in meiner Paradedisziplin musste ich mir die langen Strecken und insbesondere das Freiwasserschwimmen auch erst antrainieren. Das war keineswegs ein Selbstläufer, zumal das Kraulen bis dahin lediglich meine Nebenlage war.
Erinnerst Du Dich noch an Deinen ersten Wettkampf?
1984, ganz bei mir ganz in der Nähe in Kronberg. Das war eine verlängerte, höchst anspruchsvolle Mitteldistanz über zwei Kilometer Schwimmen in der Wetterau, etwas mehr als 100 Kilometer Radfahren nach Kronberg und einem 20-Kilometer-Lauf im Hochtaunus. Auch wenn ich bei meinem ersten Triathlonerlebnis beim Laufen fast verreckt bin, war ich ganz zufrieden und bin dabeigeblieben. Ein Jahr später lief ich dann in Höchst mit 33 Jahren meinen ersten Marathon. Auch das klappte erstaunlicherweise sehr gut, zumal ich vorher – mit Ausnahme beim Triathlon in Kronberg – nie länger als 15 Kilometer am Stück gelaufen bin. Den Halbmarathon ging ich mit 1:35 Stunden an. Ein paar Kilometer später habe ich dann zu mir gesagt: Jetzt kannst du aber mal ein bisschen Gas geben, und nach 3:05 Stunden erreichte ich dann das Ziel. Während des ganzen Laufs hatte ich überhaupt keine Probleme, weder mit dem Stoffwechsel noch mit dem Herz-Kreislauf-System, lediglich zum Ende hin etwas muskuläre Schmerzen. Ich bin mir sicher: All das habe ich mir durch das jahrelange Schwimmtraining erarbeitet. Ein Jahr später habe ich dann die Drei-Stunden-Marke geknackt, um im Jahr darauf auf einem Vier-Runden-Kurs bei Hanau, von Anfang bis Ende Seite an Seite mit dem amtierenden DTU-Präsidenten Martin Engelhardt, eine 2:44 zu laufen.
Und von da an nahm alles seinen Lauf …
Das kann man wohl so sagen. Durch konzentriertes Training verbesserte ich mich in Kronberg im zweiten Jahr gleich um Welten. Es folgten weitere Klassiker, wie beispielsweise der Schluchsee-Triathlon und das damalige europäische Pendant zu Hawaii, das hochklassig besetzte Rennen in Nizza. Und da auch diese Dreiviertel-Distanz für mich kein Hexenwerk war, wagte ich mich 1987 in Zürich an meine erste Langdistanz. Der damalige Veranstalter des Ironman-Vorläufers wollte, dass alle 1.000 Teilnehmer nicht nur ohne Neo schwimmen, sondern auch im selben Outfit starten. Die im Startgeld enthaltenen rosafarbenen Trikots kamen – zum Glück – nicht rechtzeitig an. Meine Endzeit betrug etwas über 9:20 Stunden, wobei ich die 180 Kilometer auf einem Colnago-Mexico-Stahlrahmen mit Rennlenker in etwas über fünf Stunden absolvierte. Das war auf der Strecke schon ganz passabel. Als es 1988 in Roth zum ersten Mal um Qualiplätze ging – bis 1987 konnten sich die Europäer auf Hawaii einfach so anmelden –, war ich auch dabei und qualifizierte mich direkt für Kona! Und von da an nahm alles irgendwie seinen Lauf!
Welche Erinnerungen hast Du an Deine erste Reise nach Hawaii?
Das würde ganze Bücher füllen, zumal so eine Reise im Vergleich zu heute ganz anders organisiert werden musste. Damals gab es noch keine Reiseanbieter mit Rundumbetreuung und kein Internet als Informationsquelle. Über den Veranstalter in Roth existierte zwar ein offizieller Reisepartner, und auch Hannes Blaschke organisierte bereits für ein paar Kumpels Flüge und Unterkünfte, aber das wollte ich alles nicht, ich wollte das alleine schaffen. Irgendwann stolperte ich über die Anzeige eines Spezialreiseanbieters aus Maintal, der für Surfer und Golfer individuelle Buchungen vornahm. Vom Ironman auf Big Island hatten die zwar noch nie etwas gehört, aber es hat funktioniert. Mit der günstigen Charter-Variante flogen wir mit Hawaiian Airlines von Frankfurt über Anchorage nach Hawaii. Dort angekommen, habe ich mich gefragt, wie man bei der Hitze nur Sport treiben kann. Gott sei Dank war ich zwei Wochen vor Rennbeginn vor Ort, denn an den ersten Tagen war ich – nicht nur vom Jetlag – fix und fertig.
Seitdem warst Du bis 2012 vierzehn weitere Male auf Hawaii. Was hat sich dort alles verändert?
Definitiv die Anzahl der Starter, damals waren das so um ...
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