Es war ein unbedeutender Tag im Frühling 2006. Noch etwas benommen und schläfrig schlurfte mein Körper ins Bad. Mein Blick blieb an meinem Spiegelbild hängen. Ich schaute in müde Augen, in ein unrasiertes Gesicht mit Doppelkinn! Leblosigkeit starrte mich an … und ich starrte leblos zurück.
Doch plötzlich, einen klitzekleinen Moment lang, zuckte wie ein Blitz gleich, ein Hauch von Lebendigkeit in meinen Organismus. Ich trat zwei Schritte zurück und bekam einen größeren Ausschnitt meiner selbst zu sehen. „Heiliger Strohsack“, dachte ich. „Du siehst krank aus, Du siehst alt aus! Und Du bist fett geworden.“ Die verstaubte Personenwaage unterm Badezimmerschrank wurde zum Leben erweckt und zeigte mir digital, wie es um mich stand und bestätigte den Blick aus dem Spiegel.
Mein einst von Marathon- und Triathlonaktivitäten gestählter Körper und Geist hatte mit Stahl nichts mehr zu tun. Über 20 Kilogramm zuviel Gewicht, ein Körperfettanteil von weit über 20 Prozent, und wie ein Blick auf die entsprechende Skala zeigen sollte, ein BMI (Body Mass Index) in schwindelerregender Höhe. Ich hätte es ahnen müssen. Nein, ich hatte es gewusst. Kurzatmigkeit beim Treppensteigen, Schmerzen im unteren Rückenbereich und ein fieses Kneifen hinter den Kniescheiben wurden als Warnungen jahrelang gekonnt übersehen. Ganz zu schweigen von der Konfektionsgröße, die sich stetig immer weiter nach oben bewegte. Der Entschluss war gefasst. Am nächsten Tag sollten meine Beine wieder in den alten Joggingschuhen stecken und mich sanft über den Waldboden tragen. Der Völlerei wurde vehement der Kampf angesagt. Eine Diät musste her, Fast-Food und Co. bekamen Hausverbot. In einem Jahr wollte ich wieder einen Marathon laufen.
Abnehmen, aber wie?
Im Internet recherchierte ich nach neuen Erkenntnissen bezüglich zuverlässiger Diäten. Der Markt hatte schier unendliche Angebote im Repertoire. Aber die Formel war im Grunde sehr einfach. Die Kalorieneinfuhr durfte nicht höher liegen als die Kalorienverbrennung. Im Gegenteil, sie sollte bestenfalls niedriger liegen, damit der Körper an die Fettreserven ran muss. Und um das Ganze zu forcieren: Bewegung, denn Bewegung verbrennt Kalorien und Körperfett. Die nächsten Wochen und Monate wurde also weniger gefuttert, mehr Sport getrieben und gehofft. Ich legte den Ernährungsfokus mehr auf Eiweiß und Vollwert. Zusätzlich „substituierte“ ich Vitamine, Mineralien und anderes Zeugs, von dem Fachleute sagten, man bräuchte das. Tatsächlich verabschiedeten sich manche Fettpölsterchen, aber an Vitalität und Leistungsfähigkeit gab es noch immensen Nachholbedarf. Oftmals fühlte ich mich schlapp und müde, musste mich zu meinen Joggingeinheiten mächtig aufraffen. Dies schuldete ich der für mich sehr verhaltenen Menge an zugeführter Nahrung. Mittlerweile häuften sich Pillen, Ampullen, Kapseln und allerlei Pülverchen in dem für mich eigens eingerichteten Regal im Küchenschrank. Die Abgeschlagenheit und Müdigkeit aber wollten einfach nicht weichen.
Die Chia-Wende
Eine ernst zu nehmende Wendung bekam das Ganze dann, als ich in dem Buch von Christopher Mc Dougall „Born to Run“ einige Zeilen über die sogenannten Chia-Samen las. Eine Pflanze der mexikanischen Tarahumara Indianer, deren Samen zu den Grundnahrungsmitteln der dortigen Bewohner gehörte und in allerlei Varianten verarbeitet und dargeboten wurde. Angeblich rannten die sogenannten „Raramuris“, die Laufindianer, täglich 200 Kilometer nur mit einer Handvoll Chia-Samen als Verpflegung. Das war etwas für mich. Das fand ich klasse. Chiasamen mussten her.
Teil 2: Gesund und zuverlässig Kilos verlieren!
Text: Hans-Peter Dannenberg
Illustration: chiamind.de
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