… diese Aussage klingt sehr trivial und lässt manch Läufer mit einem Fragezeichen im Gesicht zurück. Wie viel Wahrheit hinter diesem Satz steht, wird einem erst bewusst, wenn man sich mit dem momentan wohl erfolgreichsten Laufcoach im Triathlonbereich, Wolfgang Schweim, unterhält.
Seit Patrick Lange letztes Jahr auf Hawaii mit neuem Lauf-Streckenrekord von 2:39:45 Stunden seinen ersten ganz großen Erfolg mit Rang drei feiern konnte und erst recht nach seinem diesjährigen Kona-Sieg und Laura Philipps drittem Rang bei der diesjährigen Ironman-70.3-Weltmeisterschaft steht Wolfgang Schweim nicht ohne Grund im Blickpunkt vieler Triathleten und Läufer.
Um sein Konzept vom schnellen und effizienten Laufen zu verstehen und im Optimalfall umsetzen zu können, muss man den Menschen Wolfgang Schweim kennenlernen, seine persönliche Laufgeschichte erfahren und bereit sein, sich auf etwas „Neues“ einzulassen. Selbst Profi-Triathleten und -Läufer müssen bei ihm im sogenannten Basiskurs beginnen, um seine Laufphilosophie von der Pike auf zu verstehen.
Ich erfinde das Laufen nicht neu!
Wer ist Wolfgang Schweim, der auch unter dem Begriff „Running Wolf“ bekannt ist, und was macht ihn als Lauftrainer so erfolgreich? Wir haben den 65-Jährigen in seinem Urlaubsdomizil auf Mallorca besucht, ein spannendes Lauf-Coaching und einen sehr interessanten Menschen kennengelernt. „Die Erfolge von Patrick Lange und Laura Philipp sind absolute Glücksfälle für mich, das ist mir bewusst“, eröffnet der Laufexperte unser Gespräch und ergänzt: „Das Laufen habe ich deswegen sicherlich nicht neu erfunden, aber ich habe einen besonders ganzheitlichen Blick auf das Thema und beziehe logische und physikalische Regeln in mein Verständnis von einem ökonomischen und schnellen Laufstil mit ein. Und das sieht man bei Patrick und Laura. Was sich im ersten Moment vielleicht komisch anhört: Ich beschäftige mich intensiv mit den Persönlichkeiten der Läufer, mit denen ich zusammenarbeite.“
Wer steckt hinter dem Lauf-Guru?
Der 1952 in Bad Segeberg geborene Wolfgang Schweim ist von klein auf ein Bewegungsmensch. Er beginnt als Jugendlicher eine Ballettausbildung, die er abbrechen muss, weil ihm das Geld fehlt. Er ist Hippie, passt sich nur ungern dem System an. Seine ganze Liebe gehört der Musik. Er ist Schlagzeuger, Produzent und Texter und erfolgreich, aber der ganz große Durchbruch will nicht gelingen. Eher zufällig kommt Schweim mit knapp über 20 Jahren zum Laufen. Am Ratzeburger Küchensee beobachtet er die Leistungsruderer, die jeden Morgen eine Runde um das circa 7,4 Kilometer große Binnengewässer laufen. Das beindruckt ihn und er trainiert so lange, bis er die Strecke am Stück durchlaufen kann. Dazu muss man wissen, dass Anfang und Mitte der 70er-Jahre das Laufen als Breitensport überhaupt nicht verbreitet war – Läufer sogar für komplett verrückt erklärt wurden. Diese Tatsache beeindruckt Wolfgang jedoch wenig. Er meldet sich spontan für ein Rennen an. „Der Wettkampf war eigentlich eine Katastrophe. Die Leichtathletik-Jungs haben mich fast alle stehen lassen“, erzählt der 65-Jährige und erinnert sich an seine erste Lauferfahrung. Und dennoch war der Tag ein Erfolg. Horst Pape, Lauftrainer der schnellen Jungs, sah auf Anhieb das Talent und den Willen hinter Wolfgangs Performance und sprach ihn an. Beim nächsten offiziellen Training seiner Leichtathletikgruppe stand der damals 22-Jährige mit auf der Bahn. „Es war eine harte Schule, aber ich bin Horst Pape sehr dankbar dafür.“ Auch wenn Wolfgang nie zu den absoluten Top-Läufern gehören sollte, war seine Laufleidenschaft entfacht. Heute würden sich viele wegen seiner 32-Minuten-Zeiten auf zehn Kilometern die Finger lecken.
Laufen damals und heute
In den Zeiten unserer Großeltern war es ein Ding der Unmöglichkeit, laufen zu gehen. In den 60er-Jahren wurde man oftmals für verrückt erklärt, wenn man durch den Wald lief, da jeder Nichtsportler dachte, diese Leute würden gleich vor Erschöpfung zusammenbrechen. Marathon-Laufen in den 70ern war wie die Everest-Besteigung ohne Sauerstoffgerät von heute … für viele einfach unvorstellbar. Eine Person brachte mit seinen Erfolgen die große Jogging-Bewegung erst in Amerika und dann in Europa ins Rollen. Es war der Olympiasieger im Marathon 1972 in München – der Amerikaner Frank Shorter. Er sah gut aus, konnte reden und die Leute mit Argumenten wie „Laufen ist gesund“, „man kann auch kürzere Strecken laufen“ und „Frauen sind auch in der Lage, Marathon zu laufen“ fürs Laufen zu begeistern. So fing in den USA der Jogging- und Fitness-Boom an und kam Ende der 70er, Anfang der 80er nach Europa und Deutschland. Bis dahin lief nur, wer einem Leichtathletikverein angehörte und dies „professionell“ betrieb.
Der Jogging-Markt wurde ein interessanter Bereich für die Sportindustrie. Bis dato gab es nur einfache Laufschuhe ohne Dämpfung, was sich ab sofort ändern sollte. Es wurden Schuhe für die breite Masse der Läufer konzipiert, und diese bekamen immer mehr Dämpfung und eine höhere Sprengung im Fersenbereich. Warum eigentlich? Weil die meisten Läufer Jogger und keine Läufer waren. Sprich: Sie landeten wie beim normalen Gehen über die Ferse, bremsten ihr Gewicht ab und beschleunigten es wieder. Um diese Personen beziehungsweise ihre Fersen vor der Belastung des bis zu vierfachen Körpergewichts zu schützen, erfand die Laufschuhindustrie bis heute verschiedenen Dämpfungssysteme. „Das ist auch völlig in Ordnung. Nur schnelles Gehen, sprich Joggen, hat mit schnellem Laufen nichts zu tun. Für die breite Masse – und wir reden hier von rund 95 Prozent der Jogger mit diesem Laufstil – ist ein Dämpfungsschuh völlig in Ordnung, allerdings nicht für Läufer, die schnell und effektiv laufen wollen. Ambitionierte Läufer brauchen Schuhe mit wenig Sprengung und Dämpfung, mit einem gebogenen Leisten und am besten mit viel Platz für ihre Zehen, sprich breite Schuhe im Zehenbereich“, erklärt Wolfgang Schweim.
Wolfangs Karriere in der Laufindustrie
Eher zufällig startete auch Wolfgangs Karriere als Manager in der Sportindustrie. Ende der Siebziger schwappte die Jogging-Welle langsam, aber sicher nach Europa. Wolfgang Schweim war zu diesem Zeitpunkt klar, dass es als Musiker für ihn schwer werden könnte, seine Familie zu ernähren. Er hatte die Idee, einen Brief nach Amerika an das Headquarter von Nike zu schreiben, in dem er vorschlug, die Laufschuhe von Nike in Deutschland auf den Markt zu bringen. Wochen später kam ein Anruf. Wie es der Zufall wollte, war Nike gerade dabei, in Weiterstadt die erste Nike-Zentrale Deutschlands aufzubauen, und Wolfgang sollte sich mit dem Geschäftsführer treffen. Jetzt ging alles ganz schnell – ruckzuck war er eingestellt. Wolfgang war ...
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