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Neverending Off-Season – seit 7 Monaten querschnittgelähmt

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Neverending Off-Season – seit 7 Monaten querschnittgelähmt
Seit seinem Unfall beim Halbiron-Triathlon im Mai berichtet Karsten Pfeifer regelmäßig bei uns über seine Therapie als Querschnittpatient. Heute … es geht langsam bergauf.   Fast alle Triathleten in unseren Breitengraden sind oder kommen gerade aus der Off-Season. Normalerweise würde ich meinen Körper jetzt so langsam wieder an strukturiertes Training heranführen. Wäre mir da nicht der 7. Mai 2016 und dieses Auto während des Halbiron-Triathlon am österreichischen Röcksee auf der Radstrecke in die Quere gekommen. Um 11 Uhr sendeten mir damals meine Eltern eine SMS, in der sie mir viel Erfolg wünschten … da war das Rennen bei schönstem Triathlon-Wetter schon voll im Gange. Um 12 Uhr lag ich nach einer unverschuldeten Kollision mit einem plötzlich vor mir stehenden Auto mit gebrochener Brustwirbelsäule, Rippenbrüchen und Schlüsselbeinbruch sowie mit einer kollabierten Lunge auf dem Asphalt einer kleinen Landstraße und hatte kein Gefühl mehr in den Beinen. Sieben Monate nach dem Unfall befinde ich mich noch immer im Querschnittzentrum der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Murnau. Was sich seit meinem letzten Post im August ereignet hat, fasse ich für euch kurz zusammen. Das unendlich lange Liegen Von August bis Anfang Oktober wurde ich zu 2,5 Monaten strikter Bettruhe im Sandbett verdonnert. Diese Maßnahme war notwendig geworden, da die wunde Druckstelle am Steiss, die ich durch falsche Lagerung aus der Intensivstation in Graz mitgebracht hatte, einfach nicht verheilen wollte. Zwei Versuche, mich in dieser Zeit wieder in ein normales Bett zu „überführen“ schlugen fehl. Die Wunde ging sofort wieder auf. Meine Zuversicht verschwand. Mental war ich am Boden. Tränen flossen zu genüge. Das nutzlose Rumliegen als Pflegefall wollte einfach kein Ende nehmen. Anfang Oktober gelang es mir, durch täglich stundenlanges Liegen auf dem Bauch die Narbe zu stabilisieren und das Liegen in einem normalen Krankenbett endlich zu ermöglichen. Das war anfangs absolut kein Spaß, da ich meinen Körper bis unter die Achseln hoch nicht bewegen kann und auch nichts fühle. Die Bauchlage wirkte daher ziemlich beklemmend auf mich. Die Haut an den Ellenbogen war schnell gereizt und brannte. Mit der Zeit gewöhnte ich mich aber glücklicherweise an diese Lage. Mitte Oktober wagten wir dann endlich den Schritt in den Rollstuhl, anfangs nur für 30 Minuten, um die Narbe und den Rest meines Körpers nicht zu überfordern. Mein Nacken tat prompt weh, da er das Gewicht meines Kopfes nicht mehr gewohnt war, zu tragen. Außerdem spielte der Kreislauf verrückt und ich saß sehr wackelig im Rollstuhl. Der Neustart Bis Ende Oktober konnten wir die Sitzzeit im Rollstuhl schrittweise ausdehnen, ohne dass die Narbe Probleme machte. Endlich drehte sich nicht mehr alles um die Wunde am Steiss. Ich nutzte die Zeit in den Krankenhausgängen, um mich in Eigenregie an das Fahren im Rollstuhl langsam zu gewöhnen. Bald darauf konnte ich auch endlich wieder die physiotherapeutische Arbeit aufnehmen, mit leichtem Krafttraining an Geräten und mit angeleitetem Rollstuhlfahrtraining beginnen. Die Tage wurden aktiver und damit auch deutlich kürzer. Mit der Aktivität kam auch meine Zuversicht und mein Ehrgeiz zurück. Der Sigmaringer Spendenlauf des ALZ Zeitgleich fand der Sigmaringer Spendenlauf, organisiert von meinen Freund Torsten Deuter vom Ausdauerleistungszentrum Sigmaringen (ALZ), statt. Der Lauf war ein voller Erfolg. Das Engagement aller Beteiligten war unglaublich und die Teilnehmerzahl überwältigend. In dieser Zeit bekam ich sehr viel Zuspruch von mir unbekannten Menschen, was mich zusätzlich anspornte, mich nicht hängen zu lassen. Manchmal frage ich mich, womit ich so viel Anteilnahme und Unterstützung verdient habe. Hier in Murnau befinden sich phasenweise 80 querschnittgelähmte Patienten und einige davon noch wesentlich schwerer verletzt als ich. Fast jeder kämpft seinen eigenen physischen und psychischen Kampf um die Erlangung von Selbständigkeit, Mobilität und die Rückkehr in ein Leben außerhalb von Krankenhauswänden und Reha-Einrichtungen. Nur wenige lassen sich sichtlich hängen. Ein langer Weg und viele kleine Schritte Seit Oktober geht es auch für mich endlich bergauf. Jeden Tag lerne ich etwas über meinen „neuen“ Körper und eigne mir elementare Fertigkeiten an. Ein Meilenstein für mich war zum Beispiel Mitte November der erste gelungene Rutschbretttransfer zwischen Bett und Rollstuhl unter sichernder Aufsicht der Pfleger. Bis dahin wurde ich immer per Deckenkran wie ein Container transferiert. Bald folgte das erste eigenständige Drehen im Bett vom Bauch auf den Rücken. Gar nicht so einfach bei meiner Lähmungshöhe und in einem nur 90 Zentimeter breiten Bett. Auch das richtige Lagern, das heißt die gefährdeten Körperstellen mit hervortretenden Knochen wie zum Beispiel Fersen, Zehen oder Schienbeine mittels geeigneten Kissen vor Druckstellen zu bewahren, muss ich noch perfektionieren. Jede Bewegung bedeutet eine immense Anstrengung für meine Schultern, Ellenbogen, Handgelenke und Arme. Derzeit kämpfe ich zum Beispiel noch damit, mich im Bett in Rückenlage ohne Hilfsmittel wie den Galgen oder das höhergestellte Bettrückenteil mit dem Oberkörper in den Langsitz aufzurichten. Auf einer normalen Matratze fühle ich mich dabei noch immer wie eine schwerfällige Schildkröte, die sich auf dem Rücken liegend nicht behelfen kann. Der Rollstuhl und ich – noch sind wir keine Freunde Bis jetzt dachte ich, eine recht gute Körperbeherrschung zu besitzen. Seit dem Unfall ist aber auch dieser Teil meiner Welt auf den Kopf gestellt. In meiner ersten Rollstuhlfahrstunde legt der Trainer ein drei Zentimeter dickes längeres Brett auf den Boden und sagt zu uns, „da müsst ihr jetzt drauf und wieder runter fahren“. Im ersten Versuch knalle ich vorne mit dem Fussbrett dagegen, was mich fast vorwärts aus dem Rollstuhl katapultieren lässt. Nur mit der tatkräftigen Hilfe des Trainers können wir den Sturz vermeiden, da meine Rumpfmuskulatur komplett erschlafft ist. Adrenalin schießt durch meinen Körper. Im zweiten Versuch treibe ich den Rollstuhl kurz vor dem Brett zu ruckartig an, sodass meine Vorderräder zu stark abheben und ich mit dem Stuhl nach hinten kippe. Noch mal eine Ladung Adrenalin. Erneut kann mein Sturz, diesmal in die andere Richtung, nur mit der Hilfe meines Trainers vermieden werden. Fürs erste war ich bedient. Mit jeder weiteren Fahrstunde werde ich zwar etwas sicherer, aber es gibt immer wieder Momente „out of control“. Bis ich dieses Gerät sicher beherrsche wird noch viel Zeit ins Land ziehen. Im Alltag warten schließlich unzählige Barrieren und fahrtechnische Herausforderungen. Als Fußgänger ...

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