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Laufräder: Aerodynamik ist ein sehr komplexes Feld

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Laufräder: Aerodynamik ist ein sehr komplexes Feld
Speichen, Tri-/Four-/Fivespokes, Scheiben, unterschiedlichste Profilhöhen und Felgenbreiten sowie Bremsflanken aus Carbon oder Aluminium. Im Laufradsektor hat der Kunde die Qual der Wahl.   In Kombination mit der verbauten Nabe, der Bereifung, der Bremsbeläge und dem Bremssystem existieren nahezu unendliche Kombinationsmöglichkeiten für das perfekte Set-up für den persönlichen Einsatz im Training und Wettkampf. Wir haben uns mit dem Laufradexperten und citec-Chef Dr. Joachim Paproth über den optimalen Laufradsatz für Triathleten unterhalten. Herr Dr. Paproth, Laufradhersteller präsentieren im Windkanal oder auf der Radrennbahn ihre neuesten Messwerte, beispielsweise die erzielten Watteinsparungen oder den Strömungswiderstandskoeffizienten. Was im Labor unter idealen Bedingungen erreicht wird, sieht auf der Straße häufig ganz anders aus, wenn die Witterungsbedingungen und der Streckenverlauf der vermeintlich perfekten Kombination einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen. Kann man sich diesen – sicherlich auch sehr teuren – Aufwand nicht schenken? Man muss unterscheiden: Aerodynamik ist ein sehr komplexes Feld und es besteht immer die Gefahr, dass im Extrembereich kleine Abweichungen unter Realbedingungen theoretische Vorzüge zunichtemachen oder sogar ins Gegenteil wenden können. Anderseits ist relativ unbestritten, dass Dinge wie ein hinteres Scheibenrad, ein Vorderrad mit aerodynamischem Profil und wenigen Messerspeichen und eine gute Sitzposition einen enormen Vorteil gegenüber klassischem Equipment und Normalposition bringen. Wenn man aber immer weiter optimieren will, müsste man am Ende für jeden einzelnen Fahrer mit seiner individuellen Nasen- und Wadenform, Helm, Brille, Kleidung, Haltung, und Fahrrad für jeden Streckenabschnitt, jedes Tempo und jede Wetterlage alles perfekt abgestimmt haben, das ist natürlich illusorisch. Insofern ist die Gewichtung letzter Kommastellen vom physikalischen Standpunkt nicht sinnvoll. Das ändert aber nichts daran, dass Aerodynamik beim Schnellfahren ein sehr wichtiger Parameter ist. Was sind im Rahmen der Entwicklung eines Laufrades die technisch größten Herausforderungen beim Design, der Entwicklung des Prototypen, den ersten Testfahrten und der finalen Umsetzung? Die Laufräder sind ein wesentlicher Bestandteil des Komplettrades. Ihre Steifigkeits-eigenschaften und Trägheitsmomente beeinflussen ganz wesentlich die Fahr- und Lenkeigenschaften und den Fahrkomfort. Sie übertragen sowohl die Brems- als auch die Antriebskräfte auf die Straße, und sie sind nach den Reifen die erste Adresse für die Einleitung von Stößen und Vibrationen von der Straße. Durch die Besonderheit des Abrollens, das zur Folge hat, dass sich im Bereich gegenüber dem Straßenaufstandspunkt Felge und Speichen mit fast doppelter Fahrgeschwindigkeit bewegen, werden die aerodynamischen Effekte deutlich verstärkt ebenso wie die Gewichtswirkung, da bei Beschleunigung die Räder sozusagen doppelt beschleunigt werden müssen, linear und als Drehbewegung. Für die Lenkung spielt das aerodynamische Verhalten speziell bei größeren Felgenhöhen des Vorderrades eine zentrale Rolle, auch Gewicht und Gewichtsverteilung (Trägheitsmoment) wirken sich über den Kreiseleffekt aus. Das Material und die Oberflächenbeschaffenheit der Felgen bestimmen das Bremsverhalten, die Temperaturerhöhung bei längerer Bremsbelastung wie bei Abfahrten und damit natürlich die Sicherheit. Hier darf man keine Kompromisse eingehen. Diese zum Teil extrem gegensätzlichen Anforderungen unter einen Hut zu bringen und eine in sich harmonische Gesamtkonstruktion zu liefern ist die Kunst der Laufradkonstruktion. Welche Rolle spielen dabei die verwendeten Materialien Aluminium, Karbon und weitere Werkstoffe? Es gibt nicht den universellen Wunderwerkstoff für alle Einsätze, obwohl das manchmal marketingseitig suggeriert wird.  Wir verwenden stets die optimalen Werkstoffe für den jeweiligen Belastungsfall. Bei komplizierten Anforderungen wie bei Laufrädern bevorzugen wir demzufolge Hybridkonstruktionen. Klassische Speichen in unterschiedlicher Anzahl, großflächige Three-, Four- und Five-Spokes, Felgenflanken mit einer Höhe bis zu zehn Zentimetern und Scheibenlaufräder: der Kunde hat die Qual der Wahl. Welche Kriterien sind letztendlich entscheidend? Für optimale Aerodynamik empfehlen wir hinten ein Scheibenrad und vorn ein aerodynamisch optimiertes Speichenrad mit wenigen Messerspeichen und einer Felgenhöhe bis maximal 80 Millimeter. Darüber wird die Seitenwindempfindlichkeit zu groß. Bei High-end-Produkten wie bei unserer Scheibenradserie 8000, besteht sogar noch ein Gewichtsvorteil. Vorn sind Scheibenräder allerdings nur in der geschlossenen Halle ohne Wind fahrbar. Four- und Fivespokes, die ohne Vorspannung konstruiert sind, sind nach unseren Untersuchungen dem Scheibenrad und guten Aerospeichenrädern in punkto Gewicht, Statik und Aerodynamik unterlegen, weswegen wir sie nicht im Programm haben. Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Seitensteifigkeit, Felgenbreite und die verbaute Nabe? Seitensteifigkeit ist wichtig. Breite Naben und Felgen mit hohem Profil bringen mehr Seitensteifigkeit. Übertreibt man dies aber, leidet wieder Leichtigkeit und Aerodynamik. Es kommt also wieder auf das richtige Gleichgewicht an. Aber auch die Bereifung spielt eine wichtige Rolle. Welcher Reifen – Schlauchreifen, Clincher oder Tubeless? – in welcher Breite sollte bei welchen Umgebungsvariablen zum Einsatz kommen? Draht- beziehungsweise auch Faltreifen haben heute ähnlich hervorragende Rolleigenschaften wie Schlauchreifen. Die Sportler schätzen die unkomplizierte Handhabung der Draht- und Faltreifen. Sie haben somit eine höhere Alltagstauglichkeit. Ein Punkt, warum im Radrennsport immer noch Schlauchreifen nachgefragt werden, ist, dass man mit ihnen besser platt fahren kann, bis der Materialwagen zur Stelle ist. Er hat sozusagen, einmal gut auf die Felge geklebt, gute Notlaufeigenschaften. Nachteilig ist bei Tubeless die aufwändige und umständliche Handhabung bei dem dann doch ab und zu notwendigen Reifendeckenwechsel. Gerade unterwegs ist das dann für den Sportler alles andere als unkompliziert. Vorteil hingegen ist, dass durch die Dichtmilch kleinere Defekte nicht mehr zum Platten führen. Auf der anderen Seite bieten die modernen Gummimischungen der Drahtreifen auch schon eine sehr hohe Pannensicherheit. Konstruktionstechnisch haben Tubelessreifen noch die unangenehme Eigenschaft, die Felge besonders zu komprimieren und damit die Vorspannung der Speichen zu reduzieren. Breitere Clincher-Reifen bieten Vorteile beim Rollwiderstand, verschlechtern aber durch die Vergrößerung der Stirnfläche die Aerodynamik und brauchen breitere Felgen. Diese sind durch den Reifendruck statisch ungünstiger belastet und müssen daher stabiler ausgelegt werden, was ein Mehrgewicht und speziell, weil es die außenliegende Felge betrifft, auch eine ungünstige Erhöhung des Trägheitsmoments bedeutet. Bezüglich der Reifenbreite kristallisiert sich der 25er-Reifen als bester Kompromiss zwischen Rolleigenschafen, Aerodynamik und Komfort heraus. Spätestens beim Komfort muss das aber jeder selbst für sich heraus finden. Wie eng arbeiten Sie diesbezüglich mit der Reifenindustrie zusammen? Wir müssen natürlich alle Neuentwicklungen bei Reifen bei der Konstruktion von Felgenprofilen berücksichtigen. Es gibt zahlreiche ETRTO-Normen, die zu berücksichtigen sind und die laufend Änderungen und Anpassungen an neue Entwicklungen erfahren. Wir testen und prüfen neue Laufradkonstruktionen in Zusammenarbeit mit Reifenherstellern und stehen im regelmäßigen Kontakt. Die Triathlonszene diskutiert über die Sinnhaftigkeit von Scheibenbremsen an einem Zeitfahrrad ebenso kontrovers wie emotional. Welche technischen und aerodynamischen Kriterien sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen? Ich ...

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