Der Glaube, dass man etwas schaffen kann, versetzt bekanntlich Berge. Aber so einfach ist es leider dann doch nicht, denn unser Verstand legt uns gerne Hindernisse in den Weg. Dies weiß auch Profitriathletin und Coach Celia Kuch aus eigener Erfahrung.
Die Vorstellung, dass ein zehnfach geklontes „Ich“ am Wegesrand der Triathlonstrecke steht und mich im Wettkampf durch multiple Megafone anschreit, die Zähne zusammenzubeißen und verdammt noch mal die „Beine in die Hand zu nehmen“, gehörte lange Zeit zu meinem Standardrepertoire an Selbstmotivation. Die Macht der Gedanken und die Kraft emotionaler Energie haben jedoch jedes Mal genau das Gegenteil dessen bewirkt, was ich eigentlich vorhatte: das Wettkampftempo in Momenten hochzuhalten, in denen es drauf ankam! Und das ist mir leider nicht gelungen. Die imaginäre Drill-Instruktorin, nämlich ich selbst, sorgte vielmehr für eine destruktive innere Anspannung. Diese innere „Blockade“ benötigte geistige und muskuläre Energie, die ich eigentlich zum Vorankommen gebraucht hätte. Fazit: ein frustrierender Tempoeinbruch.
Wenn der Kopf entscheidet
Ich möchte gerne noch etwas weiter ausholen. Warum genau fallen wir immer wieder in destruktive Gedankengänge zurück? Vielleicht, weil wir der Meinung sind, dass wir unter Druck besser funktionieren. Der Vergleich „nur unter Druck werden Diamanten geschliffen“ kommt nicht von ungefähr. Aber wie viel Druck ist noch positiv und unserer Leistung förderlich? Genau das habe ich in der Zusammenarbeit mit meinem Mentaltrainer, Wolfgang Egger, vor circa vier Jahren im Detail analysiert. Gemeinsam haben wir meine meist intuitiv angeeigneten Methoden, Verhaltensweisen und Glaubenssätze auf dem Weg zu einer neuen persönlichen Bestzeit auf der Langdistanz unter die Lupe genommen und letztendlich die „Software“ in meinem Kopf umgeschrieben, um das Unterbewusstsein mit den richtigen Schlüsselsätzen zu füttern. Am Ende war das Resultat: ein um ein Vielfaches entspannterer Kopf sowie eine neue persönliche Bestzeit bei der Challenge Roth.
Mädels sind eher härter zu sich selbst
Nach dreizehn Jahren als aktive Ausdauersportlerin und sechs Jahren als Trainerin scheint es mir, als ob das weibliche Geschlecht eher zur Selbstkasteiung neigt als die Männer. Während Letztere es lieben, in einen Wettstreit zu treten, sich miteinander zu messen und zu vergleichen, kämpfen Frauen gerne gegen sich und um ihre selbst gesetzten Leistungsziele. Wir Frauen scheinen beweisen zu wollen, dass wir tough sind und Durchhaltevermögen besitzen. Meines Erachtens gibt es mehr Männer als Frauen im Triathlon, die Training und Wettkampfergebnisse entspannter sehen und sich kreativer austoben, wenn es um Erklärungen und Ausreden geht, warum ein Training nicht nach Plan umsetzbar war. Frauen tun eher alles dafür und beißen die Zähne zusammen, um den Plan zu 100 Prozent zu erfüllen. Das habe ich in den letzten Jahren nicht nur an mir selbst erlebt.
Mentaltraining ist in aller Munde
Jeder redet über Mentaltraining, aber mal Hand aufs Herz, wer weiß denn wirklich, was es genau beinhaltet? Und wer baut mentale Tools regelmäßig in den Trainingsalltag ein, übt Techniken, experimentiert und entwickelt dadurch Strategien für Situationen, auf die es im Wettkampf ankommt? Zum Beispiel für diesen einen Moment, wenn unser Körper mit jeder Faser sagt, dass er genug hat? Hier kreuzen sich die Wege von Physiologie und Psychologie. Timothy Noakes, der Erfinder der Central Governor Theory, erklärt, dass unser Gehirn uns bereits viel früher schon zum Tempodrosseln veranlasst, als dies wirklich nötig ist. „Mind over matter“, lautet das Erfolgsprinzip. Die Signale des Körpers wahrnehmen und akzeptieren, aber darauf vertrauen, dass noch viel mehr in uns steckt. Reserven mobilisieren. Grenzen pushen. Die Central Governor Theory erfährt inzwischen jedoch auch Kritik, da sich manche Athleten derart über ihre Grenzen hinaus verausgaben, dass nicht nur ihre Wettkampfleistung darunter leidet, sondern auch ihre Gesundheit (Hopkins WG, 2009, The improbable central governor of maximal endurance performance. Sportscience 13, 9‒12). Die Debatte bezüglich der Rollenverteilung von zentraler (das Zentralnervensystem betreffend, also das Gehirn und das Rückenmark) und peripherer (die Muskulatur betreffender) Ermüdung geht also weiter. Es gilt, wie bei vielem im Leben, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Alles zu geben, ohne sich dabei ernsthaften gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Kevin G. Thompson beschreibt in seinem Buch „Pacing – Individual Strategies for Optimal Performance“, dass unser Erfolg letzten Endes davon abhängt, wie wir Schmerzsignale, die an unser Gehirn geleitet werden, interpretieren und wie wir auf sie reagieren (Thompson KG. „Pacing: Individual Strategies for Optimal Performance“, Human Kinetics Verlag, USA 2015).
Sich einfach Mut zureden
„The Power of your thought!” Die Macht unserer Gedanken und die Sprache spielen eine nicht unwesentliche Rolle auf dem Weg zum Ziel. Wie heißt es so nett: „Fake it until you make it.“ Zum Beispiel sich und dem Körper im positiven Sinne vorgaukeln, dass das hochgesteckte Ziel erreichbar ist. Auch wenn es uns zunächst schwerfällt, hat das positive Selbstgespräch einen aufbauenden Effekt auf uns und unserer Leistung. Neben der Visualisierung, Definition eigener Ziele und der Regulierung unserer Erregbarkeit (Nervosität vor einem Wettkampf, Leistungstest oder einer wichtigen Trainingseinheit) ist das positive Selbstgespräch eine von vier psychologischen Standardpraktiken in der Sportpsychologie, die sich auch wissenschaftlich als wirkungsvoll erwiesen haben. Mit Selbstgespräch ist hierbei die innere Stimme gemeint, mit der man tagein, tagaus zu sich selbst spricht. Wie oft sagen wir uns „ich Idiot“, weil uns etwas Ungeschicktes widerfahren ist, oder „ich sterbe vor Hitze“ oder „das langweilt mich zu Tode“, ohne zu merken, dass wir die Situation negativ bewerten und uns damit herunterziehen statt uns aufzubauen und zu motivieren. Vielen fällt ein negatives Selbstgespräch leichter als ein positives. Leider. Seien wir mal ganz ehrlich, wie oft loben wir uns selbst am Tag? Selten bis gar nicht. Traurig, aber wahr. Wir sind Meister im destruktiven Selbstgespräch, und das bleibt auf Dauer nicht ohne Wirkung. Im Mentaltraining merkt man auf einmal, wie ungewohnt es ist, sich immer wieder positiv zuzusprechen.
Antreiben bis zur völligen mentalen Erschöpfung
Das „Problem“ am Mentaltraining ist, dass es nicht sichtbar ist, wie zum Beispiel das Feedback auf unserer Pulsuhr oder dem Wattmessgerät. Nichtsdestotrotz kann ein erfahrener Mentaltrainer über gezielte Fragen herausfinden, ob sein Training beim Schützling anschlägt oder nicht. Auf diese Weise wird auch dem Athleten selbst bewusst, dass sich sein Empfinden in bestimmten Situationen verändert. Sei es in Bezug auf die Nervosität vor einem Wettkampf, die Schlafqualität, die Reaktion ...
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